Was macht eigentlich ein Müller?
Solche Fragen stellt man sich auf einmal, wenn man ein Kind hat und plötzlich irgendwelche alten Kinderlieder anfängt zu singen. Ich wusste, es hat was mit Mehl zu tun, aber gibt es den Beruf überhaupt noch? Schnell mal bei Google geschaut, ist auf Platz eins der Handel Müller. Erst später findet man die Definition des Müller Berufs.
Dann singt man was von Schornsteinfegern und Jägern, dabei kenn ich keinen persönlich. Ohnehin sind Jäger heute mehr in Verruf als es einsmal war. Klar, die Lieder wurden damals geschrieben und gesungen, als es eben diese ganzen Berufe noch gab und sie hoch angesehen waren. Müssen wir sie deswegen heute noch singen?
Ein Lied in meiner Playliste von Apple, hat mich vor kurzen mehr als geärgert.
„Zeigt her eure Füße“ ist ja wohl eine gnadenlose Beleidigung an die Frau in der heutigen Zeit. Wenn ich meiner Tochter jetzt schon vorsinge, dass eine Frau den ganzen Tag nur Wäsche wascht oder bügelt, dann werden wir wohl nie aus der Gleichberechtigungsfalle rauskommen. Aus Protest singe ich immer eine Strophe mit „Waschmännern“ und dann erst „Waschfrauen“. Es darf ruhig beides gesungen werden.
Bei „Fuchs du hast die Gans gestohlen“, fragt man sich tatsächlich, ob man den Fuchs wirklich mit der Pistole drohen muss. Aber wenn wir offen sind, das zuzulassen, dann braucht man doch eigentlich kein Problem mit Ballerspiele auf der Playstation haben.
Ich frage mich, ob man manche Lieder heutzutage auch mit modernen Berufen singen könnte. Statt „Schwarz, Schwarz sind alle meine Kleider…Darum lieb ich alles was so schwarz ist, weil mein Schatz ein Schornsteinfeger ist“, sollten wir vielleicht singen: „Schwarz, Schwarz sind alle meine Kleider…Darum lieb ich alles was so schwarz ist, weil mein Schatz ein Investmentbanker ist.“ Natürlich muss man dann seinem Kind auch erklären, was es mit dem Beruf auf sich hat.
Moderne Lieder enthalten heutzutage zwar weniger Brutalität und Berufe, aber sie sind leider auch ziemlich verstörend. Manche handeln von der Kacka, die ins Klo fällt, oder von einem kleinen Hai, der einen verfolgt. (Wohl bemerkt, dass mehr Menschen an Mückenstichen sterben als von Haiangriffen.)
Ich frage mich, ob diese Lieder von heute auch noch in 100 Jahren gesungen werden.
Letztens habe ich meinen Mann erzählt, dass ich ab sofort keine Bücher mehr mit Bauernhöfen kaufen werde. Warum? Naja, wir wohnen in der Großstadt und auch wenn wir mal wegziehen, werden wir vielleicht 1- oder 2-mal auf einen Bauernhof zu Besuch fahren. In Wahrheit geben diese Bauernhof-Bücher immer nur ein liebevolles Leben der Tiere wieder, wie es das eigentlich nicht immer gibt. Und es gibt wirklich viele Bauernhof-Bücher. Warum denn nicht mal Bücher von den Tieren der Großstadt – Maus, Ratte, Fliege, Streunerhunde und -katzen. Hier könnte man genauso gut ein schönes Leben darstellen, so wie man es auch beim Bauernhof macht. Mein Kind soll aufjedenfall wissen, woher das Fleisch vom Burger kommt, aber dafür muss sie sich nicht den ganzen Tag schöne Malereien von einer freundlichen Kuh anschauen.
Mit einem Kind erlebt man auf einmal, wie sich Werte und Meinungen neu bilden und man sich darüber Gedanken macht, was man seinem Kind näherbringen möchte und was nicht. Man muss nicht alles immer so ernst nehmen und man darf auch „Waschfrauen“ singen, aber ich werde meiner Tochter sicherlich mehr von meinem Beruf erzählen wollen als von einem Müller. Gibt es den denn noch?