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AutorenbildJudith Heit

Tagebücher – eine Zeitreise meiner Lebensgeschichte

Wie wertvoll ein Tagebuch ist, merkt man selten im eigenen, jetzigen Leben. Sie werden dann angeschaut und gelesen, wenn man schon lange nicht mehr da ist. Ich war fasziniert von den amerikanischen Tagebüchern meiner Vorfahren, als ich 2018 das Haus meines verstorbenen Großvaters entrümpeln musste. Wir fanden kleine Bücher, sogar kleiner als Postkarten, die handschriftlich vollgeschrieben waren. Wohlbemerkt mit einer wundervollen Schriftart. Eine zierliche und elegante Schrift, letztendlich aber nicht lesbar in unserer heutigen Zeit. Man braucht Übung und Kenntnisse, um die Texte lesen zu können. Manche Zeilen konnte ich aber entziffern. So schrieb einer meiner Vorfahren davon, dass sie zu einem See zum Schwimmen gefahren sind. Es ist doch immer wieder spannend, was denn unserer Vorfahren erlebt haben, was sie gefühlt haben und wie vielleicht auch ein Ereignis aus ihrer Sicht stattgefunden hat.


Meine Tagebücher haben leider nicht so ein Antlitz. Keine schöne Handschrift. Aber sie waren schon immer meine Wegbegleiter. Seit ich mich erinnern kann, schreibe ich schon in ein Tagebuch. Am Anfang noch über ein Tagesgeschehen und später dann über ganze Gefühlswelten von Wochen. Leider schreibe ich seit 2009 nicht mehr allzu oft rein, eher nur noch einmal jährlich.

Tagebücher
Meine Tagebücher - links mein aller Erstes, rechts mein Aktuelles

Früher war das für mich einfacher, denn ich war alleine, sprich ich hatte mein eigenes kleines Reich. Ein Zimmer oder eine Wohnung, in der ich einfach machen konnte, was ich wollte. Sobald ich dann mit einem Partner zusammengezogen bin, fühlte ich mich nicht mehr so unbeobachtet. Vielleicht kennt ihr das auch? Denn wenn man in einem Umfeld ist, wo man schreiben kann was man will, dann fällt es einen leichter, ganze Gefühle auszudrücken und Erlebnisse niederzuschreiben. Auf einmal ist man dann aber nicht mehr alleine in einem Zimmer und der andere könnte vielleicht misstrauisch werden, worüber man schreibt. Oder vielleicht denkt, der Partner/Partnerin man hätte ein Problem mit der Beziehung, sonst würde man ja nicht was schreiben.

Ich hatte auch immer Angst, dass mein Partner meine Tagebücher lesen könnte (so etwas ist mir in jungen Jahren mal passiert). Dann muss man sich erklären. Doch wenn man es ja geschrieben hat, dann war es eigentlich ein Zeichen dafür, dass ich nicht bereit war, darüber zu reden. Früher hatten meine Tagebücher noch Schlösser. Diese fand ich aber nicht so schön und um ehrlich zu sein, konnte man die sehr einfach auch ohne Schlüssel öffnen.

Man macht sich da einfach zu viele Gedanken – leider.


Meine Tagebücher haben mir schon früh geholfen, meinen Gedanken und Gefühlen Ausdruck zu geben. Sie niederzuschreiben war wie eine Befreiung aus meinem Körper. Ich musste jetzt nicht mehr daran festhalten, sie standen ja nun Schwarz auf Weiß. Eine Befreiung hatte auch das Gute, dass ich im Kopf wieder Platz machen konnte, für neue Gedanken. Seit ich also nicht mehr so oft schreiben, habe ich das Gefühl mein Kopf platzt ständig aus allen Nähten. Ich sollte mir also wieder die Zeit dafür nehmen.

Ich habe übrigens selten ein Buch vollgeschrieben, also nie bis zum Ende. Wenn ich das Bedürfnis hatte ein neues Tagebuch zu starten, dann war das meist damit verbunden, dass auch mein Leben einen neuen Abschnitt machte. Gerne hätte ich auch für meinen neuen Lebensabschnitt mit meinem jetzigen Manne, ein neues Tagebuch angefangen. Aber ich habe leider noch nicht das passende Buch gefunden. Denn auch ein Tagebuch muss zu einem passen. Wie bei Harry Potter, bei dem der Zauberstab zum Zauberer passen muss.


Geschichten schreiben bzw. von seinem Alltag erzählen ist heutzutage nicht mehr so in Mode. Wenn ich Bekannten und Freunden erzähle, dass ich gerne schreibe und jetzt auch ein Tagebuch-Blog aufgebaut habe, dann bekomme ich oft ein Schmunzeln zurück. „Ein Mama-Blog?“, lautet dann die Frage. „Nein“, antworte ich, „eine Website, wo ich aus dem Alltag erzählen kann, quasi ein Tagebuch, aber öffentlich.“.

Meine richtigen Tagebücher verweilen mittlerweile im Bücherschrank. Bis auf das aktuelle Tagebuch – das ist natürlich versteckt.


Nachtrag: Ich habe übrigens nach dem Schreiben von diesem Beitrag, tatsächlich wieder in mein Tagebuch geschrieben. Hoffentlich dauert es dann nicht wieder ein Jahr bis zum nächsten Tagebuch-Schreiben.


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