Früher habe ich mich immer geärgert und empfand dieses ganze Kraut als unschön. Heute weiß ich, dass alles was da so auf meinen Balkon dahin wächst, eigentlich richtig gesund und auch lecker ist.
Wir haben bei unserer Stadtwohnung (ganz oben, fast Dachgeschoss) zwei Balkone. Einen zur Süd- und einen zur Nordseite. Die Nordseite ist immer sehr windig und kalt, zudem blickt man direkt auf eine Straße mit vielen Autos. Ohnehin gibt es da keinen Platz, um sich hinzusetzen, da er schmal und lang ist. Wir haben ihn also von jeher nie richtig benutzt. Wenn Pflanzen auf der Südseite bei uns gestorben sind, haben wir sie einfach rüber zur Nordseite gebracht, bis wir die Zeit gefunden haben, um uns darum zu kümmern.
Irgendwann hieß der Balkon „Friedhof der toten Pflanzen“ für uns – das sagten wir immer mit einem Grinsen und zwinkernden Auge. Wir versuchten diesen Balkon endlose male aufzuwerten, aber kaum eine Pflanze überlebte die windige und kalte Luft auf der Nordseite. Selten gab es dort Sonne. Sobald das Frühjahr kam, sprossen auf einmal verschiedenen, grüne Krautpflanzen aus den Töpfen mit den gestorbenen Pflanzen.
Löwenzahn kannte ich und wusste, dass die Samen der Pusteblume kein Problem hatten so weit nach oben zu fliegen, sodass sich ihre Samen in die Erde legten. Manch andere Krautarten erkannte ich nicht, aber gab denen auch nicht viel Bedeutung. Als mein Interesse für Heilkräuter wuchs, schaute ich im Wald umher was man da so fand. Ich habe gar nicht mehr an unseren Balkon gedacht. Als ich aber anfing, mir Gedanken zu machen, wie kann ich frische Heilkräuter in der Stadt bekommen – ohne Hundekot und Pippi, sowie wenig Abgasverschmutzung – dann kam mir auf einmal der Gedanke, dass ich doch mal auf meinen Balkon schauen könnte. Dort gibt es zwar auch ein wenig Abgasverschmutzung, aber wir sind so weit oben, dass die Verschmutzung sich in Grenzen hält. Siehe da! Ich habe Unmengen Löwenzahn, behaartes Schaumkraut und sogar ein paar giftige Pflanzen wie Greiskraut. Ich kann die Heilkräuter wann immer ich viel pflügen und muss nichts dafür tun. Denn sie wachsen ohne jegliche pflege und das im kalten, windigen Schatten. Ich hätte nie gedacht, dass es so leicht ist, an Heilkräuter zu kommen.
Seit ich mehr Kenntnisse über Heilkräuter bzw. Wildkräuter habe, finde ich natürlich auch Unmengen andere Kräuter am Main entlang – 5 Minuten Fußmarsch von unserer Wohnung. Aber die Heilkräuter so nah bei mir zu haben, fasziniert mich zu tief. Es hat mich sogar inspiriert, ein paar andere Wildkräuter samt Wurzel mitzunehmen und sie nun bei uns hier oben auf dem Balkon zu pflanzen. Ich hoffe, dass sie sich hier genauso wohlfühlen wie der Löwenzahn.
Aktuell habe ich Kerbel, Knoblauchsrauke, Taubnessel und Gänseblümchen im Versuch. Die meisten habe ich neben dem Spielplatz meiner Tochter gefunden. Auch bei diesen Wildkräutern wird es wenig bis keine Pippi oder Hundekot auf dem Blättern geben. Die meisten Menschen habe da genügend Respekt, dass sie ihre Hunde dort nicht ihr Geschäft machen lassen. Mal schauen, ob die Wildkräuter es hier bei uns mögen.
Ich habe schon ein paar Dinge mit den Kräutern von meinem Balkon gemacht.
Mein nächstes Ziel wird es sein, aus den Löwenzahnwurzeln meinen eigenen Kaffee herzustellen. Ich freue mich jetzt schon auf diesen Versuch.
Wie ihr sieht, ist es gar nicht so schwer manchmal an eigene Wildkräuter inmitten der Stadt zu kommen. Schaut doch mal auf euren Balkon, was da so unerlaubt vor sich hinwächst.