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AutorenbildJudith Heit

Der Kampf um Akzeptanz - Zwischen Beruf und Muttersein in Deutschland

Aktualisiert: 30. Sept.

Meinung einer frisch gebackenen Mutter


Berufstätige Mütter in Deutschland müssen sich vielen unterschiedlichen Hindernissen und Problemen stellen: Gesellschaftlicher Mutterdruck, Kinderbetreuung, Vorurteilen beim Arbeitgeber, finanzielles Leiden, Schuldgefühle bei der Kindererziehung und vieles mehr.


Wieso wir in Deutschland bis heute noch keine Verbesserung für das Mutterdasein im Beruf geschaffen haben, ist mir ein großes Rätsel. Dabei zeigen doch unseren europäischen Nachbarländern wundervolle Beispiele und Wege, wie es Frauen ermöglicht sowohl Karriere zu machen als auch Mutter zu sein.


Die unterschiedlichen Probleme einer heutigen Mutter reihen sich aus verschiedenen, komplexen Kettenreaktionen zusammen. Daher möchte ich einige der Punkte näher beleuchten.


Kinderbetreuung

Schauen wir uns das Thema „Kinderbetreuung“ an. Ich hatte persönlich nicht das Glück schnell wieder in den Beruf zu kommen, denn es gab schlicht und ergreifen keine Plätze für unserer Tochter. Mag es sein, dass es daran lag, dass wir inmitten der Stadt wohnen oder meine Tochter in der Zeit der Pandemie geboren wurde, war es trotzdem nirgends möglich einen Betreuungsplatz zu finden. Wir merkten unserer Tochter für über 30 Krippen im Umkreis an, wir telefonierten mit ihnen, wir verschickten Bewerbungsunterlagen unserer Tochter und alles ohne Erfolg. Rein rechtlich, steht uns erst ein Platz zu, wenn sie 1 Jahr alt ist. Für berufsorientierte Mütter, die vor dem ersten Geburtstag wieder zur Arbeit möchten, findet sich in Deutschland wenig Akzeptanz und Möglichkeiten.

1840 entwickelte man ein Krippensystem in Frankreich. Jean-Baptiste-Firmin Marbeau entwickelte die Kinderbetreuung mit dem Zitat: „Diese Kinder sind unserer Mitbürger, eure Brüder und Schwestern… Wenn ihr das Leben von 10.000 Kindern retten wollt, solltet ihr euch beeilen: 20.000 zusätzliche Hände sind nicht zu verachten. Sie bedeuten Arbeit, und Arbeit schafft Wohlstand.“ Damit schrieb er die reicheren Familien an und bittet um finanzielle Unterstützung für das Krippensystem, damit Mütter wieder arbeiten gehen können und wiederum den Reichen weiter zum Wohlstand zu verhelfen. So oder ähnlich, könnten wir das auch auf unsere heutige Gesellschaft beziehen. Wenn wir genügend Krippenplätze hätten, könnten Mütter wieder zur Arbeit gehen und einen wirtschaftlichen Beitrag zur Gesellschaft leisten. Leider scheint aber der Staat nicht die richtige Denkweise hier zu pflegen. Eine Arbeit als Erzieher ist anstrengend, wenig gut gesehen und man verdient nicht viel Geld. Damit fehlt es an Erziehern, die unsere Kinder betreuen könnten. Ergo, Frauen müssen zu Hause bleiben. Würde der Beruf eines Erziehers gleichgesehen werden, wie eine Managerposition in einer Bank, so würden sich eventuell viel mehr Menschen darum bemühen, dieser Arbeit nachzugehen. Auch hier ist Frankreich mit dem Beruf eines Erziehers wieder ein gutes Vorbild. Dort werden die Erzieher zu regelrechten Eliteleuten ausgebildet, fast vergleichbar mit dem Beruf eines Piloten. Sie müssen sich Psychoanalyse-Test unterziehen und erlernen, wie man ein Kind richtig pflegt und erzieht (dies wird bei uns nur von den Eltern verlangt). Ein Erzieher ist eine wichtige Bezugsperson, das dafür sorgen sollte, dass ein Kind angemessen betreut ist und lernt mit alltäglichen Lebenssituationen umzugehen.

Mit anderen Worten, in Deutschland haben wir es bis heute nicht geschafft, ein vernünftiges Kinderbetreuungssystem zu entwickeln, was sowohl Eltern unterstützt als auch Erzieher zu mehr Bedeutung ihres Berufes zu verhelfen.


Vorurteile des Arbeitgebers

Ein Arbeitgeber in Deutschland ist oft damit konfrontiert, Frauen mit dem Risiko einer bestehenden oder geplanten Schwangerschaft einzustellen. Ich habe selten erlebt, dass Arbeitgeber oder Vorgesetzte etwas gegen Frauen per se haben, aber sie wissen, dass viele Frauen früher oder später eine Auszeit nehmen und planen daher selten mit weiteren Karriereschritten für die Frau. In Deutschland haben wir den Luxus bis zu drei Jahre aus dem Beruf auszusteigen und das auf Kosten eines Arbeitgebers. Denn er muss weiterhin die Frau einstellen, auch wenn diese gefühlt schon in Vergessenheit geraten ist und vielleicht auch gar nicht mehr den beruflichen Anspruch genüge. Schön ist es alle Male, dass wir Frauen hier so ein Glück haben, aber was bringt es uns wirklich? Auch hier sind unsere Nachbarländer doch bessergestellt. Bei den meisten kann man gar nicht so lange fern bleiben vom Beruf. Viele gehen nach 6 Monate wieder arbeiten. Wenn ein Arbeitgeber weiß, dass eine Frau nach 6 Monaten tatsächlich wieder da ist, kann er viel besser planen und ggf. diese Frau auch für weitere Karriereschritte in Betracht ziehen. Bei einem Jahr ist es schon schwerer zu planen, bei 2 oder 3 Jahren fast unmöglich. In anderen Ländern ist natürlich das Betreuungssystem besser, daher können Mütter wieder früher in den Beruf einsteigen. Dennoch klagen viele Führungskräfte, dass die Frauen in Deutschland ohnehin kein Interesse haben, schnell wieder in den Beruf einzusteigen, selbst wenn es mehr Betreuungsplätze gäbe. Daher denke ich auch, dass es nicht komplett richtig ist, dass wir in Deutschland so viel Elternzeit als Frauen nehmen dürfen. Würden uns maximal 6 Monate zu stehen, hätten wir alle eine andere Einstellung zu unserem Beruf. Das ein Arbeitgeber heutzutage also viele Vorurteile gegenüber Frauen klagt, ist einfach nur selbstverständlich. Sollten wir Frauen irgendwas daran ändern wollen, sollten wir uns bemühen unser Image als Frau/Mutter zu verbessern und mehr Leidenschaft zu unserer Berufung zu zeigen (natürlich gibt es auch Arbeitgeber, die generell keine Frauen in Führungspositionen sehen, dann sollte man aber auch nicht für diese Männer arbeiten!).


Aus Gesichtspunkt der Mutter:

Ich schaue mir die Probleme an und merke, dass nicht alles auf die Gesellschaft zurückzuführen ist, sondern einige Hindernisse bei der Mutter selber entwickelt werden. Schauen wir uns doch einzig und alleine das Thema „Schuldgefühle“ mal näher an. In unserer heutigen Zeit wollen wir alles richtig machen, nahezu perfekt sein in der Kindererziehung. Denn heute wissen wir mehr denn je und viel mehr als es unsere Eltern noch taten. Wenn unser Baby sein erstes Wimmern macht, eilen wir schnell zum Kind und versuchen es mit allen Mitteln zu beruhigen. Wir verbieten uns jeglicher Vernachlässigung unserer Kinder, damit sie stets in einer liebevollen Umgebung sind. Die Folge aus dieser permanenten Liebe und Aufmerksamkeit, ist ein Kind, welches auch permanent fordert und wenig alleine sein kann. Bücher wie „Jedes Kind kann schlafen lernen“ von Annette Kast-Zahn und Hartmut Morgenroth oder „Warum französische Kinder keine Nervensägen sind“ von Pamela Druckerman, erklären sehr einfach, warum wir heute von tyrannischen Kindern und erschöpften Eltern umgeben sind. Vor 30-40 Jahren sprach fast keiner von Babyschlafproblemen und die Eltern konnten sich untereinander unterhalten, ohne dass ein Kind dazwischen quatschte. Das war darauf zurückzuführen, dass unserer Eltern, und die Generationen davor, noch wenig von „mehr Aufmerksamkeit“ hielten. Ein Kind durfte auch mal länger weinen und alleine schlafen. Die sozialliebenden Mütter dieser Zeit, verachten das frühere System als Kindesmisshandlung – keine Liebe und keine Nähe. Aber wenn wir doch eines gelernt haben, dann das eine gute Mischung aus Distanz und Nähe doch die beste Erziehung ist (sowie in der Liebe). Die französischen Mütter lassen ihre Babys erstmal ein paar Minuten weinen, bevor sie eingreifen. Damit lernen Babys schon sehr früh das „Warten“ und erlenen schnell eine Gewisse Form der Selbstberuhigung. Somit schlafen die Babys schon nach wenigen Monaten nachts durch. Warum können wir das nicht? Weil wir unter Schuldgefühlen leiden, wenn unser Kind mit Sorgen allein gelassen wird. Doch lernt unser Kind schon von Anfang mit Frust umzugehen und Geduld zu haben, dann scheint es auch uns Eltern besser zu gehen und wir gewinnen wieder mehr Freiraum und einen entspannteren Alltag. Mit 8 Monaten habe ich meiner Tochter beigebracht alleine einzuschlafen. Vorher verbrachte ich 3-4 Stunden jeden Tag mit ihr im Schlafzimmer, damit sie in Ruhe schlafen kann – 1/3 meines Tages war ich nicht entspannt und nicht produktiv. Zudem musste ich meine Tochter regelrecht festhalten, damit sie zur Ruhe kommt und das fand ich überhaupt nicht schön. Als schon nach einem Tag des Trainings, meine Tochter ohne Probleme von alleine einschlief, hatte ich auf einmal so viel mehr Zeit gewonnen. Ich konnte sogar ein Buch lesen.

Oft lassen es die Schuldgefühle nicht zu, dass wir unser Kind mal alleine lassen können – nicht mal für den Gedanken, dass wir ein Kind früher in Fremdbetreuung geben. Andere Mütter klagen dann damit, man bräuchte keine Kinder kriegen, wenn man ohnehin gleich wieder arbeiten will. So fühlt sich jede Frau direkt als Rabenmutter, wenn sie nur erwähnt zeitnah wieder in den Beruf einsteigen zu wollen und weniger Zeit mit dem Kind zu verbringen.

Legen wir unserer Schuldgefühle mal ab, könnten wir auch mit guten Gewissen wieder Arbeiten gehen. Denn in Ländern, wo Frauen sehr früh nach der Geburt wieder arbeiten, sind tatsächlich oft auch weniger Babyprobleme bekannt als wir es hier haben, mit Müttern, die sich rundum die Uhr um das Kind kümmern. Mein Mann meinte mal zu mir, ich würde ständig nur an unser Baby denken und keine anderen Gedanken mehr haben. Ja, vermutlich – weil ich aber auch 24/7 nur auf mein Kind aufpasse. Da sind dann kleine Probleme, schnell große Probleme. Es gibt ja schließlich auch keine anderen Probleme.

Alleine dieser Satz von meinem Mann hatte mich dazu ermutigt, wieder zurück in den Beruf zu wollen. Es gibt auch noch mich als Mensch und Person, die einen Beruf nachgeht. Ich bin Frau und Mutter.


Fazit

Mir ist bewusst, dass ich stark die Frauen in die Mangel ziehe. Ich sehe das aber als ein Geben und Nehmen. Wenn wir Frauen arbeiten wollen, dann müssen wir es auch zeigen und leben. Dann schafft der Staat vielleicht auch mehr Betreuungsmöglichkeiten und die Arbeitgeber unterstützen unserer Karriere. Und genauso aber auch andersherum.


Übrigens leisten Mütter mehr als irgendjemand anderes in der Familie. Ja, auch gegenüber kinderlosen Frauen. Es wurde in mehreren Studien gezeigt*, dass Mütter mindestens 2 Stunden am Tag mehr arbeiten als ein Mann. Frauen sind leider immer noch die klassischen Hausfrauen, auch wenn sie einem Beruf nachgehen. Auch das muss sich sowohl bei uns Frauen im Kopf ändern, als auch bei den lieben Männern in unserer Gesellschaft.


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